Voyage pittoresque de l'Oberland bernois / hrsg. von Gabriel Lory fils, Paris: Imprimerie J. Didot, 1822 [G. Lory, J. Hürlimann, C.C. Rordorf et F.W. Moritz]

Von der Enge aus bot sich der spektakuläre Ausblick auf Bern mit den Eisriesen des Oberlandes im Hintergrund. Kein Wunder also, dass diese Ansicht immer wieder gezeichnet wurde, das erste Mal um 1770/80 von Johann Ludwig Aberli (1723-1786) und danach von vielen Weiteren. 

Bereits im 18. Jahrhundert diente das Areal als Naherholungsgebiet. Es entstanden die von Ulmen und Linden gesäumten Promenaden rund um das Viererfeld, an der östlichen Seite führte die Engeallee für Kutschen und Fussgänger vorbei. 

Johann Gottfried Ebel (1764-1830) schreibt in seinem Reiseführer: "Nach der Engi 1/4 St. weit, des Sommers ein anmuthiger Belustigungsort der Berner; nahe am Eingange auf einem offnen Platze geniesst man die ausgedehnteste Alpenansicht aus der ganzen Gegend von Bern."

"In diesem Bild sehen wir eine der Werkstätten der Berner Industrie, eine dieser kleinen Fabriken des ländlichen Glücks, wo Aktivität und Frieden herrschen, wo die Sitten einfach, wenn auch rau sind, wo der Luxus in der allgemeinen Sauberkeit, in der Schönheit der Herden und der guten Bewirtschaftung des Landes besteht und von wo aus sich der Wohlstand von einem Ort zum anderen in allen Klassen der Gesellschaft ausbreitet."

Sicherlich versucht diese Ansicht, das Bild eines gut versorgten, wohlhabenden Bauernstandes zu vermitteln, wie es dem Berner Selbstverständnis angemessen scheint. Die allermeisten der 226'700 Einwohner im Jahre 1803 waren Bauern und nach einer Zählung des Jahres 1797 lebten vor der Abspaltung der Kantone Aargau und Waadt im Staat Bern 188'253 Stück Rindvieh. 

Der Reichtum der Berner Landschaft fiel auch den Touristen auf: "[...] die einfachsten Details der ländlichen Wirtschaft scheinen hier mit einer so sorgsamen Aufmerksamkeit behandelt zu werden, dass allein das Äußere dieser Häuser den Wohlstand derer, die sie bewohnen, bezeugt; man ist nicht überrascht, wenn man erfährt, dass in einer Strohdachhütte oft ein Millionär wohnt."

Wo sich dieser grosse Bauernhof genau befand, wissen wir leider nicht. Aufgrund der Felsen im Hintergrund vermuten wir jedoch, dass der Bantiger gemeint sein könnte. 

In den folgenden Bildern begeben wir uns auf die Spuren des französischen Archäologen und Reiseschriftstellers Désiré Raoul Rochette (1789-1854), der Thun im August 1819 besucht hat: 
"Die Stadt Thun ist alt, klein und recht angenehm. Aber nichts davon würde Fremde anlocken, wenn sie nicht in einer äußerst malerischen Landschaft am Ufer des schönen Sees läge, [...] und zwar genau an der Stelle, wo die Aare, die aus diesem See austritt [...]. Im Süden und im Westen der Stadt erstrecken sich die Bergketten, deren höchste Punkte das Stockhorn und der Niesen sind; und hinter diesen Bergen, durch die Öffnung des tiefen Tals, das sie trennt, erblickt man die gebleichten Stufen der Hochalpen, deren blendender Glanz mit dem dunklen Grün der Tannen und dem zarten Blattwerk der Wiesen den einzigartigsten und malerischsten Kontrast bildet. Die Vorderseite dieses bezaubernden Bildes wird von dem See ausgefüllt, dessen Wellen, vollkommen rein und durchsichtig, wie alle, die von den Alpen herunterkommen, und selten vom Wind der Bise bewegt, in dem Augenblick, da ich mich daran ergötzte, das bewegliche Bild zu betrachten, eine Art Spiegel bildeten, in dem die hohen Berge, die ihn umgeben, sich von der Basis bis zum Gipfel spiegelten und sich malten."

"Wenn wir jedoch den Erfolg des Fischers, der in diesem Haus wohnt, an den Trophäen messen, die er an seiner Tür aufgehängt hat und die die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich ziehen, müssen wir zustimmen, dass die Hechte, denen diese riesigen Köpfe gehören, die Mühe, die man auf sich genommen hat, um sie zu erreichen, durchaus verdient haben. Dieser Industriezweig ist angeblich viel weniger produktiv geworden, seit man 1714 dem reißenden Strom der Kander, der früher unterhalb der Stadt in die Aare mündete, einen direkten Zugang zum See an dessen südlichem Ufer verschaffte. Vor allem die Fischerei auf Lavaret (Aalbock) hat hier viel verloren; vielleicht haben auch der Ruf dieses ausgezeichneten Fisches, die Gier seiner Feinde und die ständig wachsende Zahl seiner Liebhaber etwas damit zu tun. Diese kleine Hütte sieht nicht elend aus; was wir sehen, lässt eher auf einen gewissen Wohlstand schließen; sie ist jedoch weit entfernt von jener Üppigkeit, die wir auf einem echten Berner Bauernhof bewundert haben."

Im Frühling 1816 hielt sich der deutsche Komponist und Violinist Louis Spohr (1784-1859) mit seiner Frau, der Harfenistin und Pianistin Dorette (1787-1834) und seinen drei Töchtern in Thierachern bei Thun auf. Die Gegend machte grossen Eindruck auf ihn:

"Seit drei Tagen sind wir hier in unserem herrlichen Dörfchen und genießen so recht in vollen Zügen die ersten Frühlingstage in dieser über alle Beschreibung reizenden Gegend. An Arbeit wird noch nicht gedacht, denn schon am frühen Morgen drängt es uns in's Freie. Wir haben bereits wohl eine Meile im Umfange unser Dörfchen umkreis't und immer neue Schönheiten entdeckt. Als Führer dient uns eine Spezialkarte der Schweiz, die ich in Bern kaufte und auf welcher sich alles Merkwürdige aufgezeichnet findet. Die Lage unserer Wohnung ist über alle Begriffe schön; sie liegt auf einer Anhöhe, von der man die Gegend nach allen Seiten überblicken kann. [...] Und fast jeden Tag bieten diese Gebirge neue von den früheren verschiedene Ansichten dar. Bald sind die vorderen Berge mit einer schweren Wolkenmasse bedeckt und die hinteren schauen in einer Höhe, wo man sich gar nichts Festes mehr denken kann, majestätisch darüber her; bald stehen die vorderen in Klarheit da, und nur die höchsten Spizen sind in Wolken eingehüllt. Ganz entzückend ist aber der Anblick dieser mit Schnee bedeckten Berge am Abende, kurz nach Untergang der Sonne. Wenn das Thal schon ganz in Dunkel gehüllt ist und die Lichter von Thun über den See herüberschimmern, glänzen sie noch immer im schönsten Rosenlichte, das sich, wenn die Dunkelheit zunimmt, in eben so schönes Blau verwandelt. Es ist ein Anblick, von dem man sich gar nicht losreißen kann!"

Auf dem Bächihügel liess der Berner Schultheiss Niklaus Friedrich von Mülinen (1760-1833) um 1816 ein Denkmal für den mittelalterlichen Minnesänger Heinrich III. von Strättligen errichten. Von Mülinen schuf hier auf seinem Landsitz einen romantischen Park, der an das Mittelalter und die heidnische Zeit erinnern sollte und viele hochrangige Besucher anzog. Die Bank steht heute beim ehemaligen Gärtnerhaus des Schlosses Eichbühl bei Hilterfingen.

Désiré Raoul Rochette (1789-1854) beschreibt seinen Besuch 1819 so:

"Die Anhöhe, auf der ich [...] spazieren gehen wollte, ist ein reizender Hain, den die Natur und die Kunst gemeinsam verschönert haben. Man steigt über einen sanften, leichten Hang hinauf, der sich unter Buchen den Hügel hinaufschlängelt, und vom höchsten Punkt aus kann man mit Muße das herrliche Bild des Sees und der Alpen, die ihn krönen, betrachten. Ein Strohdach, unter dem einfache Bänke geschmackvoll aufgestellt sind, bietet dem vom Gewitter überraschten Reisenden Schutz und dem Naturliebhaber ein Studienzimmer. In einiger Entfernung davon, unter einer Eiche, deren weitläufiger Schatten zum Ausruhen einlädt, [...] las ich eine Inschrift, die dem Andenken eines alten Troubadours gewidmet war. Heinrich von Strættligen, von einem edlen Geschlecht, das, wie man sagt, Könige hervorgebracht hat, ließ an diesem Ort die Klänge seiner Leier erklingen. [...] Ich entfernte mich langsam und schweigend, weil ich fürchtete, durch andere Gedanken von der süßen und rührenden Ergriffenheit, die meine Seele erfüllte, abgelenkt zu werden. Ich kehrte zu meinem Haus zurück, aber solange ich ihn sehen konnte, schaute ich immer noch auf den Platz, an dem ich gerade stehen geblieben war, und solange ich lebe, werde ich mich an das Wäldchen von Bachi erinnern. Es ist das Landhaus eines der gegenwärtigen Oberhäupter der Republik Bern, des Herrn Landvogts von Müllinen, und die angenehme Anordnung dieses Wäldchens ist zugleich das Werk und der Beweis seines aufgeklärten Geschmacks."

Einer mittelalterlichen Legende zufolge lebte um 100 n. Chr. der Heilige Beatus, ein britannischer Mönch, als Einsiedler in den Höhlen am Thunersee. Dort soll er einen Drachen vertrieben haben, der die Einheimischen terrorisierte. Bis zur Reformation war die Höhle ein vielbesuchter Wallfahrtsort, 1530 vermauerten die Berner den Eingang zur Höhle. Später wurde der Ort dann ein touristisches Ausflugsziel:

"An der südöstlichen Seite der Wand-Flue liegt der Beaten-Berg, in welchem die St. Beaten-Höhle. Man kann entweder von Merlingen zu Fuss in 1 St. dahin gehen, und das Schiff unterdessen um die Nase nach Sunglau, wo man wieder herabkömmt, fahren lassen; oder man bleibt in dem Schiff und steigt auf der andern Seite der Nase aus, wo man zur Höhle nur 1/4 St. zu steigen hat. Die Aussicht von dieser letztern ist sehr schön; aus ihr stürzt der Beaten-Bach hervor. Wenn man wieder herab gestiegen ist, so fährt man auf dem See nicht bis an dessen Anfang, sondern man landet bey Neuhaus."

"Diese Gegend ist zu einem Aufenthalt von einigen Wochen ganz geeignet. Die Natur zwischen dem Thuner- und Brienzersee und in der Nähe von Lauterbrunn, Grindelwald und Hasli, vereiniget so viel Mannigfaltigkeit des Grossen und Erhabnen mit dem Romantischen und Reitzenden, als man in wenigen Gegenden der Schweitz findet. Die Ebne zwischen den beyden Seen ist an Wiesen und den grössten Obstbäumen im hohen Grade fruchtbar. Nussbäume von der Grösse, dass ein einziger 40-50 Klafter Holz giebt, findet man sonst nirgends in der Schweitz. Ein Spatziergang in der grossen Nussbaumallee bey Vollmondschein giebt einen seltnen Genuss."

Weniger begeistert zeigt sich 1844 Karl Baedeker (1801-1859):

"Interlachen hat gar keine sogenannte Merkwürdigkeiten und auch der gewissenhafteste Reisende braucht es nicht zu bedauern, deshalb nicht hier gewesen zu sein. Seine reizende und gesunde Lage aber in einem fruchtbaren Thale, mit der vollen Aussicht auf die Schneegipfel der Jungfrau, die Nähe mancher der sehenswerthesten Puncte der Schweiz und die Billigkeit der Lebensmittel, haben seinen Ruf nach und nach durch halb Europa verbreitet und gegenwärtig das kleine Thal zu einer vollständig englischen Niederlassung gemacht. Wo man geht und steht wird man von englischen Lauten umschwirrt, selbst die Eingebornen fangen an, jeden Fremden in englischer Zunge anzureden."

Diese und die folgende Ansicht geben die Aussicht vom Pavillon auf dem Hohbühl wieder, der von einem deutschen Reisenden und Liebhaber dieser Aussicht finanziert wurde. 

"Der Pavillon, unter dem wir uns niedergelassen haben, ist in einer ziemlich grossen Höhe über dem Talboden platziert; er wurde auf Kosten eines deutschen Reisenden und leidenschaftlichen Liebhabers von Interlaken errichtet, der eine ausreichend grosse Summe für den immerwährenden Unterhalt dieses Denkmals seiner Bewunderung hinterlegt hat."

Von diesem Pavillon aus hat man in Richtung Osten einen schönen Ausblick auf den Brienzersee und den Goldswylerhubel mit seiner Ruine.

"Erst seit wenigen Jahren ist dieser Wasserfall bekannt. Er hatte seit Jahrhunderten in einer unbekannten Einsamkeit seine ganze Pracht entfaltet, als ein glücklicher Zufall einen angesehenen Maler, den Vater desjenigen, der diese Ansichten gezeichnet hat, dorthin führte. Von seiner Entdeckung begeistert, beeilte er sich, sie Künstlern und Reisenden mitzuteilen. Von da an wurde der Giessbach immer bekannter und jedes Jahr kommen zahlreiche Liebhaber der schönen Natur, um ihm ihre Bewunderung zu zollen."

Gabriel Lory (fils) (1784-1846) nimmt also die Entdeckung der Giessbachfälle für seinen gleichnamigen Vater (1763-1840) in Anspruch. Tatsächlich stellte dieser den Wasserfall 1797 in einer gedruckten Ansicht einem breiten Publikum vor (siehe dieses Kartenerlebnis). Eine kurze Recherche im Forschungsportal von Bilder der Schweiz Online ergibt jedoch auch eine kolorierte Umrissradierung des Winterthurer Landschaftsmalers Heinrich Rieter (1751-1818), die in die 1790er-Jahre datiert ist. Wer war wohl zuerst?

"Der Giessbach ist das Ziel einer sehr angenehmen Spazierfahrt auf dem schönen Brientzsee. Man kehrt nach Interlaken zurück, wo man sich gewöhnlich für einige Tage niederlässt, um die Umgebung und die Täler, die alle in dieses Tal münden, bequemer zu erkunden. Der Weg von Lauterbrunnen und Grindelwald, den wir nehmen werden, führt durch die Schlucht, die diese beiden Berge trennt, und direkt zur Jungfrau, die uns gegenüber liegt.
Dieses Haus ähnelt den meisten, die in den Obstgärten von Interlaken verstreut liegen. In fast allen Häusern findet man die gleiche Sauberkeit, die rustikale Behaglichkeit, die Vorliebe für Blumen, Dekorationen und Schnitzereien. Das Lärchenholz, aus dem sie gebaut sind, eignet sich gut für diese Art von Verzierungen, und die schöne rötliche Färbung, die es in wenigen Jahren annimmt, bringt Harmonie in diese Details."

Die Ruine Unspunnen am Weg von Interlaken nach Lauterbrunnen war den Touristen vor allem wegen der Unspunnenfeste bekannt, die 1805 und 1808 dort stattgefunden hatten. Mehr zum Unspunnenfest findest du in dieser Vitrine.

Der Standpunkt dieser Ansicht befindet sich vermutlich nahe des Eingangs ins Lauterbrunnental auf dem Weg nach Wengen. 

"Lauterbrunn-Thal, im K. Bern, eines der berühmtesten und besuchtesten Thäler der ganzen Schweitz. Von Bern kann man bis in dieses Thal bequem theils zu Wagen theils zu Wasser reisen. Nicht weit von Unterseen ist der einzige Eingang ins Lauterbrunn-Thal, welches sich nach SW. 5 St. lang und höchstens 14 St. breit zwischen die höchsten Gebirge hineinzieht. Seinen Namen trägt es mit Recht; denn mehr als 20 Bäche stürzen über die Felsen dieses Thales. Nicht bloss um des Staub-Bachs willen, der eigentlich den Ruhm dieses Thales so allgemein verbreitet hat, sondern wegen der ausserordentlich erhabnen Felsennatur, verdient Lauterbrunn den Besuch des Reisenden", schreibt Johann Gottfried Ebel (1764-1830) in seinem Reiseführer, und weiter: "Gleich hinter der Hunnen-Flue fällt der Blick auf die Felsen des Lauterbrunn-Thals und hauptsächlich auf die erhabne Jungfrau, deren Anblick unbeschreiblich ist."

"Der Staub Bach stürzt nahe beym Dorfe über die Wand des Pletsch- oder Fletsch- Berges 800 F. herab, löst sich in den feinsten Staub auf, und schwebt als eine ätherische, blendend weisse, ewig wechselnde Gestalt in den Lüften. Die Schönheit desselben geniesst man besonders Vormittags, wenn die Sonne ihre Strahlen darauf wirft. Nähert man sich dann, so sieht man das Wunderspiel von zwey Zirkel-Regenbogen. Da der Bach oft Steine mit herabführt, so muss man nicht zu nahe treten; wer sich nicht scheuet, durchnässt zu werden, kann sich auch zwischen den Fall und die Felswand stellen. Im Winter zeigt der Staub-Bach ganz eigne Eisgestalten."

"Nach einer Stunde mühsamen Aufstiegs ist man oberhalb der großen Felsen des Staubbachs und steht nun am Rand des Felsvorsprungs, von dem aus er sich ins Tal stürzt; eine Wolke verdeckt teilweise seine erschreckende Tiefe; aber beim Anblick dieses Abgrunds ist es schwer, sich gegen ein Schwindelgefühl zu wehren, man weicht erschrocken zurück und sucht Zuflucht im hinteren Teil der Höhle, die durch das Wasser des Wasserfalls wie ein Vorhang verdeckt wird; das Bild, das sich durch diesen flüssigen Schleier bietet, ist von einzigartiger Wirkung, vor allem, wenn die Morgensonne diesem magischen Schauspiel noch mehr Glanz verleiht."

Zuhinterst im Tal von Lauterbrunnen ziehen die Fälle des Schmadribachs den Blick auf sich, mit den Worten Karl Baedekers (1801-1851): 

"An Schönheit wenigen der Schweiz nachstehend. Eine ansehnliche Wassermasse, eine der Quellen der Lütschinen, die unmittelbar am Steinberg-Gletscher entströmt, stürzt sich sogleich an 200 Fuss tief von einem Abhange herab und bildet, bevor sie das Thal erreicht, nochmals zwei Fälle von geringerer Höhe, aber gleicher Schönheit."

Die bequemste Route vom Lauterbrunnental nach Grindelwald führt im Talboden zurück über Zweilütschinen. Als Königsetappe der Oberland-Tour war aber bereits seit Ende des 18. Jahrhundert der Weg über die Wengernalp und die Kleine Scheideck etabliert:

"Wer aber rüstig ist, und den Zweck einer Reise durch die Schweiz nicht aus den Augen verloren hat, sollte unter allen Umständen, insofern die Witterung es gestattet, den Weg über die Wengernalp oder kleine Scheideck einschlagen. Es ist freilich eine Wanderung, die ihre 8 Stunden in Anspruch nimmt und besonders im Anfang wegen des steilen Steigens beschwerlich wird, sie ist aber nicht im mindesten gefährlich und wird im Sommer bei heiterem Wetter selbst von Frauen zu Fuß wie zu Pferde fast tagtäglich unternommen. Der Weg gehört zu den von Reisenden am meisten betretenen der Schweiz, fast zu allen Zeiten findet man Wander-Genossen, so daß auch selbst ein Führer wohl entbehrt werden kann.

Nach der Überschreitung der Kleinen Scheideck erblickte der Tourist das Tal von Grindelwald:

"Dieses fröhliche Tal scheint viel offener zu sein als alle anderen in der Umgebung, trotz der hohen Gipfel, die es umgeben; dieser Eindruck entsteht durch seine kreisförmige Form und die Beschaffenheit des Bodens, der sich links in Terrassen fast bis zu den Berggipfeln erhebt. Grindelwald ist eine große Wiese, unregelmäßig übersät mit schönen Baumgruppen und kleinen Häusergruppen: Das hier ist das einzige, das ein wenig wie ein Dorf aussieht; man sieht die Kirche, das Pfarrhaus und die beiden Gasthäuser."

Besonders zu Beginn des 19. Jahrhunderts bemerkte man in Grindelwald das Vorstossen der beiden Gletscher. Im Falle des unteren Grindelwaldgletschers erinnerte man sich an einen Fussweg ins Wallis, der seit über 200 Jahren nicht mehr begehbar gewesen war, weil der Gletscher dermassen angewachsen war:

"Der Vorstoß der beiden Gletscher, die man noch heute inmitten der Wiesen von Grindelwald sieht, geht auf das Ende des sechzehnten Jahrhunderts zurück. Die Wärmeeinwirkung scheint jedoch stärker zu sein als der Fortschritt dieses seltsamen Stroms, denn die Spuren der alten Moränen sind gut eine Viertelmeile von den heutigen Grenzen des Eises entfernt zu sehen.
Es ist bekannt, dass früher ein gut begehbarer Pfad durch die Schlucht des unteren Gletschers ins Wallis führte."

Der französische Rechtsanwalt und Reiseschriftsteller Adolphe Joanne (1813-1881) gibt 1841 die Strecke durch das Reichenbachtal so wieder:

"Schwarzwald, Chalet und Gasthaus (teuer) auf der Schwarzalp. Hier teilt sich der Weg; der eine führt in einer Stunde und einigen Minuten über das linke Ufer des Reichenbachs nach Sage und lässt die Bäder und den Gletscher von Rosenlaui in ziemlich großer Entfernung zurück; der andere, der 15 bis 20 m[inutes] länger ist, ist für alle Wanderer geeignet, Sie folgt dem rechten Ufer des Baches und führt nach ca. 40 m zu den Bädern von Rosenlaui (ein reizendes Gasthaus namens Steinbock), die sich am Eingang einer dunklen, bewaldeten Schlucht befinden, in der man in ca. 5-6 m Entfernung einen sehr schönen Wasserfall des Reichenbachs besichtigen kann. Die Quelle wurde 1771 entdeckt. Die Bäder wurden 1794 wiederhergestellt und 1824 erneut restauriert.
Bevor man zu den Bädern von Rosenlaui gelangt, hat man den Weg verlassen, der zum gleichnamigen Gletscher führt. Dieser Gletscher ist anderthalb Lieues lang und eine halbe Lieue breit und liegt eingeengt zwischen dem Wellhorn, dem Wetterhorn, dem Renferhorn, dem Tossenhorn und dem Engel. Wir können allen Reisenden, die die Scheideck überqueren, nicht genug empfehlen, bis zum Rosenlaui-Gletscher aufzusteigen (Ausflug von ca. 1 bis 1,5 Stunden, hin und zurück). Die Brücke, die man überquert, bevor man ihn erreicht, die außergewöhnliche Farbe seines Eises, das herrliche Gewölbe, unter das man manchmal mitten im Sommer eintritt, und der schöne Wasserfall des Weißbachs, der von ihm herabfließt, werden sie für ihre Mühen mehr als belohnen."

"Der Reichenbach gehört zu den schönsten Wasserfällen der Schweitz. Von der hintern Gallerie des Wirthshauses zum Wilden Mann erblickt man einen kleinen Theil des obern Falles. Der Weg zu dem obern Fall führt von Meiringen durch Schwendi, von hier wendet man sich rechts; man sieht die Ruinen eines Schlosses Resti, der Stammsitz eines alten Geschlechts Resti. Wer über den Scheideck reist, muss diesen Weg nehmen, und geniesst also im Vorbeygehen den Anblick. Man muss ihn Vormittags sehen, wo sich bey Sonnenschein drey zirkelförmige Regenbogen bilden. Die herabstürzende Säule beträgt 20-30 Fuss im Umkreis, selbst bey kleinem Wasser, und fällt 200 F. fast senkrecht."

"Den untern Fall *), der äusserst malerisch ist, und vielen Personen besser als der obere gefällt, muss man Nachmittags und Abends sehen, weil er nur dann erleuchtet ist; man steigt zu dem obern Fall in 1/4 St. Ohne Führer muss man nicht von oben zu dem untern Fall herabsteigen.

*) von diesem hat H. Rieter in Bern ein meisterhaftes Blatt geliefert."

Die von Ebel erwähnte kolorierte Umrissradierung von Heinrich Rieter (1751-1818) ist 1801 erschienen und findet sich hier.

"Die Einwohner von Meyringen wären sehr glücklich, wenn die Wasserfälle nur aus fallendem Wasser bestünden; Sie wären dann nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Häuser von der Wucht des Alpbachs weggerissen werden, der jedes Frühjahr mit seinem durch die Schneeschmelze angeschwollenen Wasser riesige Geröllmassen aus Stein und Erde mit sich führt, die sich in seinem Becken ansammeln und den Fluss aus seinem Bett treiben. Ein mächtiger Damm, der das Dorf vor dieser Gefahr schützen soll, leistet der Wucht des Wildbachs oft nur machtlosen Widerstand: Alle Männer der Umgebung arbeiten manchmal tagelang und nächtelang daran, das Wasser umzuleiten und die Schutzmauer zu verstärken. Vor allem 1815 herrschte allgemeine Alarmstimmung in der Region; von allen Seiten eilte man Meyringen zu Hilfe. Ein Teil des Berges war in den Fluss gestürzt, der, nachdem er sich einige Stunden lang zurückgezogen hatte, schließlich das Hindernis durchbrach und sich von den Felsen auf das unglückliche Dorf stürzte. Es wurde durch den Mut seiner Bewohner und die Hingabe ihrer Nachbarn gerettet."

"Wir haben diese schönen Gegenden verlassen, haben gerade das kleine, abgerundete Tal von Imgrund durchquert, das sich durch seine Frische und sein schönes Laub auszeichnet, und erreichen nun das Tor zur Wüste; es öffnet sich inmitten der unregelmäßigen Felsmassen, die von den hohen Felsen heruntergestürzt sind."

Diesen wild gezackten Felsblock an der Grimselstrasse bei Innertkirchen gibt es heute noch. Es handelt sich um den sogenannten "Achistein", der in Wirklichkeit jedoch nicht so spektakulär geneigt ist wie auf dieser Aquatinta.  

"Etwa eine Viertelmeile unterhalb der Sennhütte von Handeck stürzt der Fluss, der aus den Grimselgletschern entsprungen und in seinem schnellen Lauf bereits gewachsen ist, in den berühmten Wasserfall, der als der schönste Wasserfall der ganzen Welt gelt Man steigt mit Hilfe einer kleinen Leiter auf einen mit Moos bewachsenen Felsen, von dem man, nicht ohne einige Gefahren, wieder in den Grund eines Vorsprungs hinabsteigt, den die Aare ganz mit ihren donnernden Fluten füllt. Am Fuße eines riesigen Felsens, den der Fluss aufgerissen hat, um sich einen Durchgang zu verschaffen, sieht man ihn aus mehr als hundertfünfzig Fuß Höhe wie aus den Wolken fallen, mit einem Krach, einer Gewalt und einer Lautstärke, die ich nicht einmal versuchen werde, wiederzugeben."

Der Grimselpass gehörte nie zu den meistfrequentierten Pässen der Schweiz, war aber immer von einer gewissen Bedeutung für den Handel zwischen der Innerschweiz, dem Haslital und dem Wallis und Oberitalien. Auf dieser Route wurde der Sbrinz in das Piemont und die Lombardei exportiert. Recht spät, nämlich von 1847-94 baute die Berner Regierung mit Unterstützung der Eidgenossenschaft eine Fahrstrasse von Innertkirchen nach Gletsch. Für die Touristen war die Route jedoch schon immer interessant gewesen, auch wenn sie einige Strapazen auf sich nehmen mussten:

"Diese Reise ist reich an den wildesten und ausserordentlichsten Ansichten der hohen Gebirgsnatur. Von Meiringen im Hasli-Thale bis zum Spithal auf dem Grimsel 7 St.; von Obergesteln im Wallis bis zum Spithal nur 3 St. Wer zu Pferde reist, thut am Besten, an den schlimmsten Stellen der Strasse, wo grässliche Abgründe und schauerliche Brücken sind, abzusteigen."

Von März bis Anfang November besetzte ein Einwohner des Haslitals das Grimselhospiz und bewirtete die armen Wanderer. Auf sieben ordentliche Betten kamen bisweilen 96 Personen. Finanziert wurde der Hospizbetrieb durch eine Kollekte in der gesamten Eidgenossenschaft. Der Franzose Désiré Raoul Rochette (1789-1854) zeigte sich bei seinem Besuch 1819 wenig begeistert:

"Ich werde nicht versuchen, dir eine Beschreibung dieser Unterkunft zu geben. Sie ist wirklich schrecklich und die Umstände, unter denen sie mir angeboten wurde, waren nicht geeignet, ihren Schrecken zu mindern. Eine Herde Ziegen und eine andere Herde Kühe hatten in dem Stall, der das Erdgeschoss des Hauses bildet, Schutz vor dem Gewitter gesucht. Ihr wirres Gemecker erfüllt in diesem Moment, in dem ich dir schreibe, das Holzhaus, von dem man mir eine Ecke überlassen hat; das Pfeifen der tobenden Winde erschüttert die kalten Stützen; und es ist vergebens, dass ich, um mich vor ihrem stechenden Atem zu schützen, eine Zeitlang an einem rauchigen Herd stehen wollte, wo ich verbrannte, ohne aufzuhören, frierend zu sein. Da offenbar keine Ungnade an meinem traurigen Abenteuer fehlen durfte, konnte ich nicht einmal meine Kleidung wechseln. Der Führer, der mit diesem Teil meines Gepäcks betraut war, hatte sich inmitten von Nebeln verirrt, die ihm einen Weg verbargen, den er schon hundertmal gegangen war. Der Unglückliche kam erst mehr als eine Stunde nach uns an, in einem Zustand, der mir selbst leid tat, und ich weiß nicht, wie du dich gefühlt hättest, wenn du mich in dem grotesken Aufzug hättest sehen können, den ich von der Freigebigkeit meines Gastgebers erhalten hatte. Ich habe endlich mein vom Schweiß und Regen durchnässtes Hemd von meinem Körper ziehen können; ich habe gerade eine Mahlzeit zu Ende gegessen, von der ich ohne Eitelkeit sagen kann, dass mein Appetit alle Kosten tragen musste; und ich werde mich genüsslich auf eine Strohmatte legen, die kaum zur Hälfte mit einem schmutzigen Laken bedeckt ist. Mit all dem scheint mir meine gegenwärtige Lage göttlich zu sein. Ich werde dennoch versuchen, sie zu verkürzen, indem ich mich morgen bei Tagesanbruch aus der schrecklichsten Wüste und dem unwirtlichsten Hospiz, das es auf der Welt gibt, entferne."

"Tiefer, als das Spital, liegen gegen Abend, in einem ziemlich engen Thale, die beyden Aare-Glätscher, Südlicher der Oberaar-Glätscher, dessen Besuch mühsam und nicht belohnend ist. Desto mehr Theilnahme erregt der Vorderaar-Glätscher, der auch Lauteraar-Glätscher heisst; weil hier die Aare zum ersten Mahl am Tageslicht erscheint. Man erreicht vom Spital aus seinen Fuss in zwey Stunden. Gemächlich kann man 2-3 Stunden auf dem Eise fortschreiten, denn seine Ebene steigt Stunden lang unmerklich, von keinen Spalten unterbrochen. Ungeheure Granittrümmer, die auf demselben liegen, und oft von mannshohen Eissäulen getragen werden, zeichnen ihn von andern Glätschern aus. Im Hintergrunde erhebt sich himmelhoch, aus einem ungeheuern Eismeere das Finsteraarhorn."

Bereits 1751 beschrieb Johann Georg Altmann (1695-1758) die Aargletscher nach eigenen Beobachtungen und auch der sächsische Reisende Carl Gottlob Küttner (1755-1805) besuchte 1785 den Aargletscher vom Grimselhospiz aus: 

"Ich erstieg die Eismauer, und wandere etwa eine Viertelstunde auf dem Eise fort; aber weiter zu gehen, hatte weder Herr B** noch ich Lust. Fast die ganze Oberfläche dieses Eisgewölbes ist mit Steinen und Felsenstücken bedeckt, die von der Höhe auf beiden Seiten des Thals sich ohne Unterlass ablösen. Das Gehen ist also äusserst beschwerlich und weiter hin auch gefährlich, weil das Eis oft Risse hat, die man nicht sehen kann."

"Ein paar Meilen weiter vorne sind wir vor dem schrecklichen Finsteraarhorn angekommen: Es ist eine Barriere, vor der man stehen bleiben muss; sie zu überqueren hieße, dem Tod ins Auge zu blicken; dennoch haben es einige mutige Männer, die von einem Hospizdiener geführt wurden, im Jahr 1812 unternommen und ohne Unfall ausgeführt: Sie gingen in das dunkle Tal, aus dem die Gämsen zu kommen schienen, und dann über den Grat, dessen Anfang wir sehen und der den Gipfel des Finsteraarhorns mit dem des Schreckhorns verbindet, das eine Meile nach rechts entfernt ist; an der Rückseite dieses Gipfels, Straleck genannt, stiegen sie zu der grünen Insel Zesenberg hinab, von der wir bei unserem Besuch in Grindelwald gesprochen haben, und gelangten schließlich über den unteren Gletscher in dieses letzte Tal. Auf einer anderen Tour im Vorjahr begaben sie sich durch das Oberaartal, das hinter dem linken Gletscher liegt, und setzten auf dem als unzugänglich geltenden Gipfel der Jungfrau eine Fahne. Bei diesen verschiedenen Exkursionen waren sie gezwungen, mehrere Nächte inmitten dieser eisigen Wüsten zu verbringen: ihr Leben hing absolut von der trügerischen Dauer des schönen Wetters ab; ein Nebel hätte sie für immer in diesem riesigen Grab beerdigt."

Aufgrund einer technischen Beschränkung der Kartendarstellung wird die Spitze des Finsteraarhorns hier nicht angezeigt. Sie ist jedoch auf der Ansicht kaum übertrieben dargestellt